Unterentwicklung der linken Herzkammer

Im Rahmen der vorsorglichen Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft gilt ein besonderes Augenmerk dem kindlichen Herzen. In diesem Zusammenhang wird unter Umständen festgestellt, dass ein Kind – trotz funktionsfähiger Herzklappen und gut pumpender Herzkammer –schon im Mutterleib eine deutliche zu kleine linke Herzseite aufweist. Diese Unterentwicklung kann so stark ausgeprägt sein, dass das Herz seinen Körperkreislauf nach der Geburt nicht versorgen kann. Weitere Bezeichnungen für dieses Spektrum von Fehlbildungen sind funktionelle Linksherzhypoplasie, hypoplastischer Linksherzkomplex oder Borderline-left ventricle.

Betroffenen Kinder kann nach ihrer Geburt oft nur durch komplexe und wiederholte herzchirurgische Maßnahmen geholfen werden. Und nur bei einem Teil der Kinder lassen sich im Verlauf der Zeit wieder normale Kreislaufverhältnisse (2-Kammer-Kreislauf) herstellen.

Falls bei Ihrem Ungeborenen diese gravierende Diagnose gestellt wurde, kann im Rahmen einer nicht-invasiven medikamentösen Behandlungsmethode selbst kurz vor Ende der Schwangerschaft noch ein deutliches Wachstum der linken Herzseite erzielt werden.

Eine nicht-invasive medikamentöse Behandlungsmethode, mit der selbst kurz vor Ende der Schwangerschaft ungeborenen Kindern mit zu kleinen Linksherzstrukturen noch geholfen werden kann, wurde durch Prof. Thomas Kohl vor bereits knapp 10 Jahren am DZFT entwickelt: die chronisch-intermittierende-materno-fetale Hyperoxygenierung, kurz „Sauerstofftherapie“ oder „Kohl-Verfahren“ genannt. Das Verfahren ist denkbar einfach und erzielt auch in den letzten Schwangerschaftswochen noch ein deutliches Aufholwachstum zu kleiner Linksherzstrukturen.

Das Prinzip der Sauerstofftherapie ist leicht verständlich: Vor der Geburt sind die Lungengefäße des Ungeborenen noch eng gestellt. Das ist sinnvoll, da es noch nicht eigenständig atmet, sondern Sauerstoff und Kohlendioxid über den Mutterkuchen austauscht. Sofort nach der Geburt müssen sich diese Gefäße aber stark erweitern, damit der in der Luft enthaltene Sauerstoff über die Atemwege und Lungenbläschen in das Blut des Kindes gelangen kann. Der stärkste Auslöser für diese lebenswichtige Lungengefäßerweiterung ist der Sauerstoff selbst. Diesen Mechanismus machen wir uns bei der „Sauerstofftherapie“ zunutze.

Atmet eine Schwangere eine Sauerstoffkonzentration ein, geht ein kleiner Teil davon über den Mutterkuchen in ihr ungeborenes Kind über. Dieser kleine Teil ist bei Babys mit zu kleinem Aortenbogen in vielen Fällen ausreichend, um zu einer ausgeprägten Erweiterung ihrer Lungengefäße und zur Zunahme der Lungendurchblutung zu führen.
Automatisch gelangt dadurch das Blut über die Lungenvenen zurück in den linken Vorhof und von dort bevorzugt durch die linke Herzseite in die Körperschlagader.

Von dem deutlich stärkeren Zufluss in die Körperschlagader werden vor allem die zu kleinen Bereiche der linken Herzkammer sowie ihre Klappen und die nachgeschaltete Aorta zum Wachsen angeregt.

Eine im Dezember 2016 publizierte kontrollierte Studie* bestätigt, dass durch das Kohl-Verfahren bei einem Großteil der betroffenen Kinder der ansonsten notwendige operative Eingriff am Aortenbogen vermieden werden kann.
An der Studie nahmen 48 Feten mit entsprechender Diagnose teil. Die noch ungeborenen Kinder wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt die vorgeburtliche Sauerstofftherapie, die andere nicht.

Das Ergebnis war deutlich. Nach ihrer Geburt benötigten 75% der Babys, die nicht nach dem Kohl-Verfahren behandelt worden waren, einen herzchirurgischen Eingriff. Im Gegensatz hierzu mussten nur 20% der Neugeborenen, bei denen die Sauerstofftherapie durchgeführt wurde, operativ am Aortenbogen behandelt werden.

Auch andere Bereiche des linken Herzens, wie die Mitralklappe, die Aortenklappe und die linke Herzkammer zeigten unter der Sauerstofftherapie ein schnelleres Wachstum – ein für Kinder mit Linksherzhypoplasie existentieller Vorteil der neuen Behandlung.

Die Studie bestätigt damit unsere Beobachtungen der bisher am DZFT behandelten Kinder mit diesem Erkrankungsbild.

Für weitere Informationen und zur Beratung stehen wir Ihnen täglich zwischen 10 und 17 Uhr unter der Durchwahl (0175) 597-1213 oder per E-Mail zur Verfügung. Gerne können Sie uns auch Ihren Namen sowie eine Telefonnummer hinterlassen, unter der wir Sie zurückrufen können.

*Zeng S et al. Sustained maternal hyperoxygenation improves aortic arch dimensions in fetuses with coarctation. Sci Rep 6, 39304; doi: 10.1038/srep39304 (2016)