Im Rahmen der vorsorglichen Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft gilt ein besonderes Augenmerk dem kindlichen Herzen. In diesem Zusammenhang wird unter Umständen festgestellt, dass ein Kind schon im Mutterleib eine deutlich zu kleine linke Herzkammer aufweist, die nach der Geburt den Körperkreislauf nicht versorgen kann. Diese Herzfehlbildung wird als hypoplastisches Linksherzsyndrom, bzw. HLHS bezeichnet.
Betroffenen Kinder kann nach ihrer Geburt schon seit vielen Jahren durch kinderkardiogische und herzchirurgische Maßnahmen geholfen werden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Kreislauf für die Versorgung durch nur eine, anstatt zwei Herzkammern zu optimieren.
Bei einem Teil der Kinder ist das HLHS durch einen frühen, vollständigen Verschluss der Aortenklappe (Aortenklappen-Atresie) entstanden. Dieser geht mit einer ausgeprägten Unterentwicklung des Anfangsteils der großen Körperschlagader, der aufsteigenden Aorta, auch Aorta ascendens genannt, einher. Hat diese einen Durchmesser von nur 2,5 mm oder weniger, gilt dies als Risikofaktor für die nachgeburtliche Behandlung.
Zusätzlich ist bei vielen von einem HLHS betroffenen Kinder auch der Aortenbogen deutlich unterentwickelt und muss nach der Geburt unter Einsatz von Gore-Tex-Material erweitert werden. Wenn der Aortenbogen sehr eng ist, steht im Verlauf nur wenig Gewebe zur Verfügung, dass der Aortenbogen mit dem Wachstum des Kindes sich ausreichend erweitern kann. Reoperationen sind dann die Folge.
Falls bei Ihrem Ungeborenen mit HLHS die eine sehr kleine, fadenförmige aszendierende Aorta gesehen wird oder diese gar nicht dargestellt werden kann. Und auch, wenn der Aortenbogen deutlich unterentwickelt ist, kann im Rahmen einer nicht-invasiven medikamentösen Behandlungsmethode selbst kurz vor Ende der Schwangerschaft noch ein deutliches Aufholwachstum der aufsteigenden Aorta und auch des Aortenbogens erzielt werden.
Die komplett nicht-invasive medikamentöse Behandlungsmethode, wurde durch Prof. Thomas Kohl Jahren am DZFT entwickelt und im Sommer 2007 erstmals angewendet: die chronisch-intermittierende-materno-fetale Hyperoxygenierung, kurz Sauerstofftherapie oder Kohl-Verfahren genannt.
Das Prinzip der Sauerstofftherapie ist leicht verständlich: Vor der Geburt sind die Lungengefäße des Ungeborenen noch eng gestellt. Das ist sinnvoll, da es noch nicht eigenständig atmet, sondern Sauerstoff und Kohlendioxid über den Mutterkuchen austauscht.
Sofort nach der Geburt müssen sich diese Gefäße aber stark erweitern, damit der in der Luft enthaltene Sauerstoff über die Atemwege und Lungenbläschen in das Blut des Kindes gelangen kann. Der stärkste Auslöser für diese lebenswichtige Lungengefäßerweiterung ist der Sauerstoff selbst. Diesen Mechanismus machen wir uns bei der „Sauerstofftherapie“ zunutze (Literatur: siehe unten).
Atmet eine Schwangere eine Sauerstoffkonzentration ein, geht ein kleiner Teil davon über den Mutterkuchen in ihr ungeborenes Kind über. Dieser kleine Teil ist bei Babys mit zu kleinem Aortenbogen in vielen Fällen ausreichend, um zu einer ausgeprägten Erweiterung ihrer Lungengefäße und zur Zunahme der Lungendurchblutung zu führen.
Durch die stark vermehrte Lungendurchblutung muss auch die Herzleistung deutlich zunehmen. Dies geht mit einer deutlichen Flusszunahme in den Herzkranzgefäßen einher. Da die Aortenklappe ja verschlossen (atretisch) ist, werden diese retrograd über die aufsteigende Aorta versorgt.
Durch den vermehrten Blutfluss konnten wir in einer noch kleinen Kohorte von Ungeborenen beobachten, dass es über die letzten Wochen der Schwangerschaft noch zu einem deutlichen Aufholwachstumsreiz in diesem Bereich kommt. Dieser lässt sich schon nach einer Therapiedauer von etwa einer Woche durch eine verbesserte sonographische Darstellung der aufsteigenden Aorta sowie auch des Aortenbogens beobachten. Hierdurch ergeben sich Vorteile für die nachgeburtliche operative Behandlung des HLHS (Norwood I oder Comprehensive Stage II).
Um Missverständnisse zu vermeiden: Beim HLHS kann die linke Herzkammer nicht mehr weiter wachsen, so dass in jedem Fall ein Einkammerkreislauf notwendig werden wird! Dies ist ein wichtiger Unterschied zum HLHC, dem hypoplastischen Linksherzkomplex. Bei diesem Spektrum funktioniert die linke Herzseite noch, ist aber nur zu klein und kann von der Sauerstofftherapie im Wachstum positiv beeinflusst werden.
Für weitere Informationen und zur Beratung zur vorgeburtlichen und nachgeburtlichen Behandlungsmöglichkeiten bei HLHS stehen wir Ihnen täglich zwischen 10 und 17 Uhr unter der Durchwahl (0175) 597-1213 oder per E-Mail zur Verfügung. Gerne können Sie uns auch Ihren Namen sowie eine Telefonnummer hinterlassen, unter der wir Sie zurückrufen können.
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Literatur
1. Chronic intermittent materno-fetal hyperoxygenation in late gestation may improve on hypoplastic cardiovascular structures associated with cardiac malformations in human fetuses. Kohl T. Pediatr Cardiol. 2010 Feb;31(2):250-63. doi: 10.1007/s00246-009-9600-5. Epub 2009 Dec 19.PMID: 20024652
2. Chronic intermittent maternofetal hyperoxygenation (Kohl procedure) for the treatment of flow-related cardiovascular hypoplasia in human fetuses. Kohl T. Ultrasound Obstet Gynecol. 2015 Dec;46(6):746. doi: 10.1002/uog.15747.
3. Kohl T. Lifesaving Treatments for the Tiniest Patients—A Narrative Description of Old and New Minimally Invasive Approaches in the Arena of Fetal Surgery Children 2023, 10(1), 67; https://doi.org/10.3390/children10010067
4. Zeng S et al. Sustained maternal hyperoxygenation improves aortic arch dimensions in fetuses with coarctation. Sci Rep 6, 39304; doi: 10.1038/srep39304 (2016)