Bei einigen ungeborenen Kindern wird im Rahmen der üblichen Vorsorgeuntersuchungen per Ultraschall der Verschluss ihrer Blase (LUTO) und/oder auch der oberen Harnwege, also den Harnleitern und/oder dem Nierenbecken-Kelch-System (UUTO) festgestellt.
Diese Fehlanlage(n) verhinder(n)t den freien Ablauf des Urins in die Fruchthöhle. In Folge vergrößert sich die Harnblase (Megazystis). In schweren Fällen nimmt allein die Harnblase den Unterbauch des Kindes zum großen Teil oder sogar vollständig ein. In länger bestehenden Fällen kommen auch noch erweiterte Nierenbecken und Harnleiter sowie in der Sonographie auffällig helle Nieren dazu.
Bei hochgradigen Abflussstörungen können schon innerhalb weniger Wochen beide kindliche Nieren so stark geschädigt werden, dass sie bereits lange vor der Geburt aufhören, Urin zu produzieren. Geschieht dies noch vor der 22. Schwangerschaftswoche, wird durch das fehlende Fruchtwasser (fetaler Urin) die Lungenentwicklung des Ungeborenen zusätzlich lebensbedrohlich beeinträchtigt (Lungenhypoplasie). Daher sollten Sie sich nach vorgeburtlicher Diagnose bestenfalls schon am Folgetag an einem Spezialzentrum vorstellen.
Bei hochgradigem Aufstau kann die Blase auch platzen (Blasenruptur). Dann zeigt sich das Bild einer massiven Flüssigkeitsansammlung in der fetalen Bauchhöhle (Urinaszites) mit typischerweise auch etwas vergrößerten Blase.
Ebenso können bei einem vorgeburtlichen, hochgradigen Harnaufstau auch eine oder beide Nieren platzen (Nierenruptur). Dann zeigt sich das Bild einer massiven Flüssigkeitsansammlung in der Nierenkapsel der jeweils betroffenen Seite. Betroffene Feten sollten bei Diagnose eines Urinaszites oder einer geplatzten Niere unverzüglich einem Spezialzentrum zugewiesen werden. Dort können selbst diese extremen Verläufe oftmals noch erfolgreich behandelt werden können.
In weniger schweren Fällen verlieren die Nieren erst im letzten Schwangerschaftsdrittel ihre Funktion. Da hierbei meistens eine für die Lungenentwicklung ausreichende Fruchtwassermenge gebildet wird, ist weniger mit einer lebensbedrohlichen Unterentwicklung zu rechnen.
Erfreulicherweise gibt es auch leichtere Verläufe mit weniger großen Blasen (<15 mm Durchmesser), die in der Frühschwangerschaft auftreten und sich dann spontan zurückbilden. Hierbei ist es allerdings empfehlenswert, das Vorliegen zusätzlicher Fehlbildungen anderer Organsysteme sowie insbesondere auch von Erbgutstörungen auszuschließen!
Folgen moderater und schwerer fetaler Urin-Abflussstörungen
Ohne vorgeburtliche Therapie verlieren die meisten Kinder bei hochgradiger und auch immer noch viele der Kinder mit moderaten Blasenabflussstörungen ihre Nierenfunktion. In der Gruppe der vor der zwanzigsten Schwangerschaftswoche von einer hochgradigen Abflussstörung betroffenen Kinder geht ohne vorgeburtliche Behandlung auch die Lungenfunktion über den Verlauf der Schwangerschaft verloren.
Diagnostik
Mit Hilfe der fetalen Ultraschalluntersuchung (Sonografie) ist es bei ausreichenden Sichtbedingungen leicht möglich, einen therapeutisch bedeutsamen Urinaufstau zu diagnostizieren. Wir empfehlen diesen umgehend zu behandeln. Wenn möglich, kann zeitgleich schon Fruchtwasser oder Plazentagewebe für Erbgutuntersuchungen gewonnen werden.
Ungeeignet sind gerade in der frühen Schwangerschaft Untersuchungen des fetalen Urins, um die spätere Funktion der Nieren vorherzusagen.
Auf Grund der geringen Größe kindlicher Strukturen, der Verdrängung weiterer innerer Organe durch die erweiterten Harnwege sowie Unsicherheit bei der Bestimmung des Geschlechts können gerade in der Frühschwangerschaft eventuelle weitere Fehlbildungen nicht sicher ausgeschlossen werden.
Leider wird nach sehr früher Diagnose hochgradiger Obstruktionen um die
12. Schwangerschaftswoche von vielen Untersuchern das für die Nierenfunktion therapeutische Fenster von etwa 4 bis 6 Wochen verpasst, beispielsweise durch Hoffen auf eine mögliche spontane Rückbildung des Urinaufstaus sowie das Abwarten der Durchführung und Ergebnisse von Erbgutuntersuchungen – oder auch Warten auf eine Abnahme der Fruchtwassermenge, wiederholte Punktionen zur Bestimmung von Urinwerten usw.
Gleichzeitig ist wenig erfahrenen Untersuchern meist nicht bewusst, dass viele der ihnen zur Auswahl von für vorgeburtliche Eingriffe in der medizinischen Literatur vorgeschlagene Auswahlkriterien gerade in der Frühschwangerschaft bei besonders betroffenen Kindern nicht zutreffen und somit nicht anwendbar sind.
Auf diese Weise wird wiederum wichtige Zeit für die Rettung der Nieren vertan, bis eine korrekte Diagnose gestellt werden kann.
Es ist entscheidend, dass Sie nach Diagnose einer Harnwegsobstruktion Ihres Kindes umgehend Kontakt zu einem Spezialzentrum aufnehmen!
Behandlung am DZFT
Unser Zentrum gehört zu den wenigen in Deutschland, die ausdrücklich auf vorgeburtliche Interventionen bei Ungeborenen mit hochgradigen Harnabflussstörungen spezialisiert sind.
Bereits innerhalb der ersten Tage nach Diagnosestellung beginnen wir am DZFT, den Harnaufstau Ihres ungeborenen Kindes zu entlasten.
Bestenfalls geschieht dies in der Frühphase der Schwangerschaft. Allerdings kann auch im späteren Schwangerschaftsverlauf noch ein Funktionserhalt der Nieren erzielt werden wenn der Aufstau sich erst spät entwickelt hat und weniger als 4-6 Wochen lang besteht! Wenn möglich, wird zeitgleich mit der Intervention das zur Erbgutdiagnostik wichtige Material gewonnen.
Nach Entlastung der Harnwege ist es meistens möglich, das Geschlecht schon sonographisch zu erkennen. Somit sind mütterliches und kindliche Trauma von Intervention und Diagnostik identisch. Auch alle mütterlichen Entscheidungsmöglichkeiten über den weiteren Verlauf der Schwangerschaft bleiben nach diesen Erstmaßnahmen unberührt. Unserer Meinung nach wichtige Vorteile unserer Strategie bei hochgradigen Harnabflussstörungen.
In ausgewählten Fällen und bei günstiger Kindslage sowie schon größeren Feten kann die Abflussstörung auch endoskopisch durch Eröffnung von kleinen, ventilartig wirkenden Klappen in der kindlichen Harnröhre mittels Laserenergie direkt beseitigt werden.
Am häufigsten, wird zunächst nur ein kleiner Silikonschlauch oder ein Röhrchen in die Blase eingelegt. Letzterer leitet den Urin aus der Blase in die Fruchthöhle ab. Diese Methode wird als vesico-amnialer Shunt (VAS) bezeichnet.
Bei einem Blasendurchmesser von weniger als 2,5-3 cm (Abbildung – frühe LUTO) verwenden wir in den frühen Schwangerschaftswochen bei noch vorhandenem Fruchtwasser meistens ein kleines Drahtgeflecht (Somatex Intrauterine Shunt). In etwa einem Drittel der Fälle wird bei Verwendung dieses Shunts über den Schwangerschaftsverlauf eine erneute Shuntanlage erforderlich, da er nur etwa 3 cm lang ist und im Verlauf des fetalen Wachstums dislozieren kann. Daher empfehlen wir nach Anlage dieses Shunts Verlaufskontrollen im Abstand von 7-10 Tagen bis zur Geburt, damit jeder erneute Aufstau sofort wieder entlastet werden kann.
Bei einem Blasendurchmesser von mehr als 3 cm sowie schon verminderter Fruchtwassermenge, platzieren wir bevorzugt einen langer Silikon-Katheter in der Blase. Mit der an unserem Zentrum verwendeten Technik kann hierzu auf eine Auffüllung der Fruchthöhle (Amnioninfusion) verzichtet werden. Auf Grund der bis zu dreimal längeren Länge des Katheters im Vergleich zum knapp 3 cm langen Stent-Shunt reicht meistens eine Shuntanlage über den Verlauf der Schwangerschaft bis zur Geburt aus.
Diese am DZFT entwickelte Technik minimiert die zur Katheter-Einlage erforderlichen Manipulationen. Da sich der äußere Schenkel des verwendeten Katheters nicht – wie bei der bislang üblichen Behandlung mit einem Double-Pigtail-Katheter oder einem Draht-Stent-Shunt – in der Gebärmutterwand oder im Mutterkuchen verfangen kann, verringert sich das Risiko für das Auftreten vorzeitige Blasensprünge. Da die Drainage zudem einen größeren Durchmesser hat und deutlich länger ist, verstopft und verrutscht sie seltener.
Zur Durchführung der jeweiligen minimal-invasiven Eingriffe wird meistens nur eine, etwa 5 mm lange Inzision auf ihrer Bauchwand erforderlich. Zur Drainage wird dann eine Nadel mit einem Außendurchmesser von nur 1,2 mm durch die Uteruswand in die Fruchthöhle und dann durch die fetale Bauchwand in die Blase vorgeschoben. Bei der Platzierung des Silikon-Katheters wird die Öffnung noch auf knapp 2,5 mm aufgedehnt.
Bei einigen Ungeborenen entwickelt sich trotz erfolgreicher Ableitung der Blase ein deutlicher Aufstau des oberen Harntraktes (UUTO) sowie der Nieren (Hydronephrose). Je nach Schwere des Befundes behandeln wir auch diese Ungeborenen im Rahmen von Zweiteingriffen, da auch eine alleinige, hochgradige Abflussstörung der oberen Harnwege prinzipiell die gleichen negativen Folgen, wie diejenigen einer LUTO, (Verlust der Nierenfunktion, Fruchtwassermangel, Lungenentwicklungsstörung) nach sich zieht.
Ergebnisse der Shuntbehandlung am DZFT – Time is kidney!
Etwa 4 von 5 vor Vollendung von 16 Schwangerschaftswochen behandelten und die Schwangerschaft überlebenden Patienten kommen nach vorgeburtlicher Therapie mit laborchemisch normaler Nierenfunktion Funktion und funktionierenden Lungen auf die Welt.
Bei ab der 17. bis zur Vollendung der 24. Woche behandelten Kindern wird eine laborchemisch normale Nierenfunktion nach ihrer Geburt noch bei 4 von 10 Kindern beobachtet.
Ab der 25. Woche zeigen nach ihrer Geburt nur noch 2 von 10 Kinder eine laborchemisch normale Nierenfunktion beobachten können. Diese Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung eines umgehenden Behandlungsbeginns nach Diagnosestellung.
Unsere neuesten Untersuchungen zeigen: Bei den Kindern, die mit laborchemisch normaler Nierenfunktion geboren werden, bleibt diese zumindest über die beobachteten ersten Lebensjahre ohne erhebliche Funktionsverschlechterung bestehen!
Die meisten Kinder mit LUTO können durch vorgeburtliche Therapie gerettet werden, aber …
… etwa ein Viertel der vorgeburtlich diagnostizierten und/oder behandelten Kinder mit höchstgradigen Verengungen ihrer Harnwege überleben die Schwangerschaft nicht. Einige Ungeborene versterben schon vor einer Intervention. Grund dafür könnte der zu große Druck und Zug der schnell wachsenden Blase auf im Feten und entlang der Blasenoberfläche verlaufende Blutgefäße (Nabelarterie, Nabelvene, Aorta, Hohlvene) sein. – Der häufigste Grund für das Nichtüberleben ist allerdings die mütterliche Entscheidung, die Schwangerschaft doch noch zu beenden, wenn die Fruchtwasserneubildung nach einem technisch erfolgreichen Eingriff doch ausbleibt oder sich diese im Verlauf der Schwangerschaft doch noch verliert. Wenige Ungeborene versterben auch innerhalb von 24 Stunden nach einer Intervention. Auch hier vermuten wir als Ursache Probleme bei der Versorgung des Kindes.
Bei männlichen Feten liegen ursächlich am häufigsten kleine Klappen in der Harnröhre vor (posteriore Urethralklappen), die wie ein geschlossenes Ventil, den Urin aufstauen. Mitunter ist aber auch die Harnröhre nicht angelegt (Urethralatresie). Die Folgen für die Nieren sind gleich, allerdings ergeben sich Unterschiede in der nachgeburtlichen Therapie, die wir Ihnen gerne erläutern.
Bei weiblichen Feten mit Harnabflussstörungen werden häufig gemeinsame Fehlbildungen im gesamten Uro-Ano-Genital-Bereich beobachtet. Die nachgeburtliche Therapie erfolgt in Deutschland an nur wenigen Spezialzentren. An unserem Zentrum arbeiten wir mit dem renommierten Spezialisten Prof. Dr. med. Raimund Stein vor Ort zusammen: Info
Wenn Sie über unsere Behandlungsstrategie in einer wissenschaftlichen Publikation nachlesen möchten, verwenden Sie bitte den folgenden Link: Therapie am DZFT
Weitere Informationen über diese und andere lebensrettende Behandlungen finden Sie hier.
Patientenkomfort und Sicherheit stehen für uns an erster Stelle
Alle vorgeburtlichen Shunt-Anlagen bei Ungeborenen mit hochgradigen Harnwegsobstruktionen werden am DZFT zwischen der 12. und 32. Schwangerschaftswoche in einem Operationssaal in einer kurzen Narkose mit Antibiotikaprophylaxe durchgeführt.
Durch diese Maßnahmen liegt die technische Erfolgsrate – selbst bei sehr schwierigen Bedingunge – an unserem Zentrum deutlich über 90%. Eingriffsbedingte Infektionen werden nicht beobachtet. Daneben kommt es seltener zu Blasensprung, kindlichen Komplikationen oder Infektionen. Auch wird der eingriffsbedingte Stress für Mutter und Kind auf ein Minimum reduziert. Dies ist insbesondere auch bei wiederholten Eingriffen ein unserer Meinung nach unverzichtbarem Vorteil.
So unglaublich dies klingen mag, mütterliche und kindliche Schmerztherapie sowie eine Infektionsprophylaxe durch die Durchführung von Eingriffen in einem dezidierten Operationssaal unter Gabe von Antibiotika sind bei vorgeburtlichen Eingriffen in Deutschland immer noch keine Selbstverständlichkeit! Berücksichtigen Sie diese wichtigen Faktoren bei der Auswahl Ihres Behandlungszentrums!
Bei weiteren Fragen zur minimal-invasiven Behandlung vorgeburtlicher Harnwegs- oder Nierenerkrankungen oder um sich eine Zweitmeinung einzuholen kontaktieren Sie das DZFT bitte täglich zwischen 10 und 17 Uhr unter der Nummer 0175/597-1213 oder senden Sie uns eine E-Mail.
Falls Sie nur den Anrufbeantworter erreichen, hinterlassen Sie bitte Ihren Namen sowie eine Telefonnummer, unter der wir Sie zurückrufen können.
Sollten Sie sich bereits zur Durchführung eines Eingriffs an einer anderen Klinik entschieden haben: Wir beraten Sie auch in diesem Falle gern und bieten eine prognostische Zweitmeinung zur Erkrankung und Therapie Ihres Kindes an.
Hinweis: Die Inhalte unserer Internetseiten sind ausschließlich zu Informationszwecken bestimmt und stellen in keiner Weise einen Ersatz für persönliche Beratungen durch uns oder andere auf diesem Gebiet anerkannte Fachärzte dar. Bei allen individuellen Fragen und Entscheidungen rund um Ihre Gesundheit und die Ihres Kindes empfehlen wir Ihnen und Ihren Angehörigen dringend, sich in jedem Fall persönlich an uns, Ihren Arzt und/oder andere Experten zu wenden.